Samstag, 26. September 2015

Alpsteinbike 2015 - Doppelt hält besser

Schon oft habe ich mir zu Jahresbeginn diverse sportliche Ziele gesetzt. So verbessert sich die Vorbereitung und auch die Motivation steigt. Unbedacht bleibt die Enttäuschung, wenn das ein oder andere Ziel auf der Strecke bleibt. Aus diesem Grund habe ich mir in diesem Jahr nur ein sportliches Ziel gesteckt, den Alpsteinbike Hoch2
Der Trainingsplan war überschaubar, doch die Aufregung vergleichsweise hoch. Ob es sich ausgegangen ist, könnt ihr  hier lesen:
Zu erst einmal möchte ich den Begriff "Alpsteinbike Hoch2" genauer definieren: Beim Alpsteinbike handelt es sich um eine sehr ausgiebige und konditionell anspruchsvolle Biketour rund um den Alpstein, welche ich bereits 2013 und 2014 gefahren bin. Seit 2014 gibt es neben der Kategorie MTB auch eine Rennrad-Strecke (Straßenrad). Man muss nicht besonders kreativ sondern vielmehr verrückt sein, um auf die Idee zu kommen, beide Disziplinen zu absolvieren. Am ersten Tag Rennrad, am zweiten Tag MTB. Das war der Plan...

SAMSTAG, 26.09.2015
Mit großer Motivation aber relativ überschaubarem Trainingsstand fuhren Anne und ich heute früh ins Rheintal zum Checkpoint Rüthi. Auch die letzten Jahre bin ich von hier aus gestartet. Das liegt unter anderem am Streckenprofil, aber auch an der exzellenten Organisation durch die vielen Freiwilligen unter anderem dem Tennicsclub Rüthi.
Kalt war es, als wir kurz nach 8:00 Uhr in den Sattel stiegen. Vor uns lagen 105 Kilometer und knapp 2000 Höhenmeter. Der Respekt war vorhanden, doch die Vorfreude überwog. Zufällig trafen wir am Start auf unseren Freund SimP, der in diesem Jahr erneut mit den MTB startete. Gemeinsam rollten wir los und wünschten uns viel Erfolg, als sich die Strecken für MTB und RR aufteilten.
Nach kurzem Einrollen geht es schon bald aufwärts. An dieser Stelle sei erwähnt, dass Anne eine 2x10 Übersetzung fährt, welche am Berg nicht sehr "kundenfreundlich" ist. Umso größer die "Anne-rkennung ihrer Leistung!

Die erste Etappe beendeten wir schon nach ca. 1.5h am Checkpoint Brülisau. Hier trafen wir wieder auf SimP, der fast zeitgleich eintraf. Die warme Bouillon und die Appenzeller Biber waren Gold wert.
Nun wurde es knackig. Hoch zur Schwägalp, wo vieles im Wiegetritt gefahren werden musste. Hinzu kamen die Kälte und auch die ersten Ermüdungserscheinungen. Mit der "Zuckerbrot und Peitsche"-Taktik kamen wir gut voran. Kämpfen, kämpfen. Pause. Kämpfen, kämpfen. Pause.
Motivieren war die wunderbare Kulisse der Alpstein-Nordwände. Im Laufe des Vormittags fanden auch die ersten Sonnenstrahlen den Weg über das Bergmassiv.
Den Checkpoint "Schwägalp" erreichten wir etwa zur Mittagszeit. Erneut nahmen wir eine Menge Kohlenhydrate auf und wärmten uns mit heißer Bouillon. Kaum zu glauben, dass die Kombination aus Biber-Banane-Bouillon gut schmecken kann =)
Von hier aus fuhren wir ins Unbekannte. Zwar kennen wir uns im Alpstein gut aus, doch nun fuhren wir durch Dörfer, die wir bisher nie besucht hatten. Insgesamt eine sehr schöne RR-Strecke die uns in einem weiten Bogen vom Appenzell in den Kanton St. Gallen führt.

Trotz der Tatsache, dass mit dem RR ein paar Kilometer mehr zurückgelegt werden müssen, ist es im Nachhinein die deutlich einfachere Runde. So war es ein Genuss mit gutem Tritt ins Toggenburg zu fahren. Von Stein bis Wildhaus Schönenboden mussten wir nochmals etwa 250 Höhenmeter strampeln. Doch ab hier wandelte sich der anfängliche Respekt in eine Vorfreude auf die letzten Kilometer.
Angekommen am Checkpoint Schönenboden war die Stimmung bei den vielen Bikern sehr ausgelassen. Heimlich schmunzelten wir über die letzte Etappe, auf der es fast nur abwärts geht. Auf der Passstraße von Wildhaus runter ins Rheintal und dann flach bis nach Rüthi. Genial.

Zugegeben war der RR-Alpsteinbike nicht vergleichbar mit dem MTB-Alpsteinbike von 2014. Dennoch ist es eine nicht zu unterschätzende sportliche Leistung. Hierzu möchte ich Anne gratulieren. Mit den wenigen Trainingskilometern und dem nicht ideal übersetzten Bike hat sie eine wahnsinnige Leistung absolviert! Ihr Ziel war es "Einmal im Leben den Alpsteinbike mit dem MTB und einmal mit dem RR zu meistern". Glückwunsch! Ziel erreicht.
Mein Ziel hingegen war erst zur Hälfte erreicht. Immerhin wollte ich an Tag 2. noch die MTB-Runde absolvieren. Daher galt es an Tag 1 früh zu starten, um auch wieder früh zurück in Konstanz zu sein, um die Beine zu entspannen. Angekommen zu Hause kamen die RR vom Dachträger und das MTB drauf. Dann gab es Pasta und einen frühen Feierabend. Die Beine fühlten sich noch relativ gut an.

GPS-Auswertung: 6:25 h // 105 km // 1960 hm

SONNTAG, 27.09.2015
Es muss nicht beschönigt werden, dass sich die Beine nach dem eben beschriebenen Vortag schwer anfühlen. Die ersten Schritte waren unrund, doch für Mitleid bin ich heute nicht aufgestanden. Also Sachen packen und los. Unser neuer Golf kennt bereits den Weg ins Industriegebiet von Rüthi. Während Anne heute zu Hause blieb, schloss sich J. der Reise an. Als Nicht-Biker hatte er die Bergschuhe eingepackt und ebenfalls eine sehenswerte Runde geplant.

Die Worte und Blicke des OKs in Rüthi waren witzig: "Du schon wieder?" =)  Ja, aber heute mit dem MTB! Jedoch mit einer ganz anderen, sportlichen Einstellung. Gestern war einfahren - heute gilt es!

Das Wetter war nicht so gut wie am Vortag: Kalt, neblig und feucht. Bereits vor 8:00 Uhr startete ich vermutlich unter den ersten 5. Bikern ab Checkpoint Rüthi. Eher nebenbei fiel mir ein Biker mit gelber Regenjacke auf. Ihn sollte ich später noch kennenlernen...

Die erste Etappe nach Brülisau ist durchaus knackig mit einem Teilstück von 850 hm auf etwa 10 km. Die Beine waren schwer, die Trittfrequenz versuchte ich daher hoch zu halten. Immer wieder musste ich mich von diversen Hardtail-Carbon-Freunden überholen lassen. Wie ich diese Momente hasse... Doch abgerechnet wird erst deutlich später in Rüthi =) Bereits am Checkpoint in Brülisau hatte ich die meisten wieder eingeholt.
Ungeniert schloss ich mich für den nächsten Streckenabschnitt einer Gruppe an. Die Herren waren sehr zügig unterwegs und hatten eine Art "Antreiber" der eine ordentliche Frequenz auf seinem Hardtail abspulte. Als "letzter Mann" konnte ich den Windschatten nutzen und das Tempo trotz schreiender Muskulatur halbwegs mithalten. Nachteil von großen Gruppen sind die vielen Pausen. Schon nach 20 Minuten wurde gehalten, um Jacken auszuziehen etc. Unbeeindruckt fuhr ich weiter. Wohlwissen dass die Jungs mich bald wieder einholen würden. Doch dem war nicht so. Etwa zeitgleicht kamen wir am 3. Checkpoint "Schwägalp" an. Das Wetter war miserabel. Teilweise nur +3° und sehr dichter Nebel. Dementsprechend wenig Teilnehmen hatte es heute auch.
Erst als die große Gruppe weg war, stieg auch ich wieder in den Sattel. Die Motivation war begrenzt, zumal die Beine bereits einen "Warnstreik" einlegten =)
Immer wieder sah ich den Biker in der gelben Regenjacke. Mit relativ normalem Bike und Ausrüstung machte er einen sehr bodenständigen Eindruck. Er startete ebenfalls solo und traf unterwegs immer wieder auf die gleichen Gruppen. Relativ typisch beim Alpsteinbike, da viele am Limit ihrer konditionellen Fähigkeiten unterwegs sind. Unterdessen führte uns die Strecke steil bergauf an den Risipass. Hier befindet sich die einzige, kurze Tragepassage. Im letzten Jahr die Schlüsselstelle der Motivation. Hier oben entscheidet sich vieles. Angekommen am (fast) höchsten Punkt des Tages war die Sicht gleich Null.
Die Carbon-Jungs legten eine Mittagspause ein - Ich fuhr weiter und wollte erst vorne am Risipass meine Mittagspause machen, die Beine ausschütteln, etwas essen und einmal durchatmen. Hier kam ich dann mit Dani, dem "Biker in der gelben Regenjacke" ins Gespräch.  Mit dabei war auch ein weiterer Biker in grün, der ebenfalls eine Pause einlegte. Für die Abfahrt bildeten wir ein 3er Team und gingen die restlichen 50??? Kilometer gemeinsam an. Da ich als letzter ankam, fiel meine Mittagspause sehr kurz aus: Jacke an, Riegel zwischen die Zähne, Sattel runter und ab gehts ins Vergnügen. 
Wie viele andere auch, wählten wir die schöne Route vorbei am Gräppelensee. Zu dieser Teilstrecke gibt es alljährlich große Diskussionen, doch leider wird der Streckenabschnitt für den Alpsteinbike nicht offiziell freigegeben. Es ist aber keineswegs verboten, den Bikeweg zu befahren! Diesen Teilabschnitt fuhren wir übrigens auch bei unserer Transalp 2013.

Nach wenigen Metern auf der Abfahrt stürzte der Herr in grün und war danach deutlich verunsichert. Kein guter Start in die Abfahrt. Umso größer der Respekt für seine weitere Leistung, insbesondere seine Stärke im Bergauf. 

Das viele auf- und ab ließ mich zweifeln, doch zu keinem Zeitpunkt dachte ich ans Aufgeben. Wichtig war nur, jegliche Krämpfe zu vermeiden. So pedalierte ich mich sehr hoher Frequenz und blickte dabei "Froome-artig" auf mein GPS. Möglichst nie unter 80 rpm/min fahren...

Mit Dani entwickelten sich nette Gespräche. Ein super Kerl mit guter Grundeinstellung hinsichtlich Politik, Natur, Wirtschaft etc. Vor 1 Stunde kannten wir uns noch nicht einmal =)

Als wir vom Feldweg zurück auf den Asphalt kamen, wurde es sehr schnell. Teilweise sogar schneller als die Höchstwerte von gestern auf dem RR. Die Hormone schießen durch den Körper und vor Freude vergisst man fast zu bremsen. Erst als die Abfahrt vorbei war und es wieder aufwärts ging, kam der Körper wieder in die Realität zurück.

Der Anstieg hoch an den Schönenbodensee war hart. Hier hilft nur durchhalten. Am Checkpoint angekommen waren die Akkus leer. Die vielen Biberli, Bananen, Gels und Riegel schmeckten nicht mehr. Und die letzte Etappe ist nicht zu unterschätzen. Ein durchgehendes Auf und Ab. Selten musste ich so ans Limit gehen. Gut, dass ich solo unterwegs war und damit keine Verpflichtungen eingegangen bin. So blöd es klingt war ich mir nun "selbst am nächsten".

Als letztes Highlight folgten die beiden weiten Waldabfahrten zurück ins Rheintal. Doch aufgepasst: Die Konzentration ließ spürbar nach. Trotz GPS und guter Wegbeschilderung fuhren Dani und ich an manchen Abzweigungen vorbei. Es fehlte nur noch eine Fata Morgana am Horizont =)

Bei einem netten Gespräch fuhren wir durch das Rheintal zurück nach Rüthi. Hier überholte uns ein sehr sportlicher Biker. Vermutlich war es der einzige, der heute vor uns in Rüthi eintraf!

Herzlich wurden wir empfangen. Das OK war wieder sehr freundlich und zuvorkommend. Ich fühlte mich sehr gut aufgehoben. Mit der letzten Kraft hob ich mein Bike zurück auf den Dachträger. Jetzt kam auch J. von seiner Wanderung zurück und gratulierte. Seine heutige Leistung war auch nicht ohne.
GPS-Auswertung: 7:10h // 87.5 km // 2870 hm

FAZIT: Unzählige Kilometer habe ich in diesem Jahr auf meinen Bikes zurückgelegt. Nicht selten dachte ich dabei an den anstehenden Alpsteinbike. Umso größer ist nun die Freude aber auch der Stolz über das Erreichen des Ziels. An das potentielle Scheitern möchte ich keine Gedanken verlieren. Was bleibt ist die Frage, wie es im nächsten Jahr ablaufen wird. Will ich mir das nochmals antun? Kann und will ich den Wahnsinn gar steigern? Diese Fragen bleiben erst einmal unbeantwortet.

Die letzten MTB-Runden im Herbstlaub zeigen, dass Mountainbiken ohne Leistungsdruck mindestens genauso schön ist. Und schon bald kommen die ersten Skitage. Die Bikes dürfen sich jetzt mal erholen. Nur das RR muss noch ein paar mal auf den Rollentrainer =)

"Sie sind an Ihrem Ziel angekommen"!

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