Bereits mehrere Male wollten wir unseren Traum in die Realität umsetzen. Am 4. Mai 2016 war es endlich soweit: Wir machten uns auf in Richtung Linthal (GL), um den weiten Weg auf einen
wahrhaft majestätischen Berg in Angriff zu nehmen.
Prolog: "Tödi - Sehnsucht und Traum" lautet das Buch, welches auf dem Regal im Berggasthaus Rotsteinpass über uns steht. Wir schmunzeln über den Titel. Schon lange blicken wir auf den höchsten Glarner. Noch ist er in weiter Ferne, doch unser Tag wird kommen...
TAG 1
Mit den Mountainbikes auf dem Dach und den Rucksäcken im Kofferraum kamen wir gegen 9.30 Uhr am Parkplatz im Linthal (805m) an. Die erste Etappe bis nach Hinter Sand (1300m) legten wir auf den Bikes zurück. Die schweren Rucksäcke mit aufgeschnallten Ski und Skischuhen machten jede noch so kleine Steigung zur großen Anstrengung. Die erste halbe Stunde war ich am Zweifeln, ob unser Vorhaben überhaupt Sinn macht. Doch der Gedanke an den Traum zauberte uns auch in den vielen Ski-be-passagen ein Lächeln ins Gesicht.
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Unterwegs wurde klar, dass der Fahrradschlüssel im Auto blieb, aber das Schloss fleißig mitgetragen wurde. So kam es bei Hinter Sand zu einem kleinen Versteckspiel der Räder. Hier wechselten wir auch das Schuhwerk und der Untergrund änderte sich von grün zu weiß.
Vor uns lagen noch etwa 800 Höhenmeter auf Tourenski. Das Wetter und die Kulisse waren prächtig, wir fühlten uns gut. In den letzten Spitzkehren zur Hütte spürten wir aber auch, dass wir wahrlich keine Ausdauersportler sind und bereits ziemlich erschöpft waren.
Angekommen auf der
Fridolinshütte freuten wir uns über die freundliche Begrüßung und ein Kaltgetränk in der heißen Sonne. Der Ausblick auf den Gletscher und die Bergwelt war beeindruckend. Viele der etwa 25 Hüttenbesucher blickten durch ihre Ferngläser und zeigten mit ausgestreckten Händen auf den ersten Teil des morgigen Aufstiegs.
Wir genossen den Moment und nahmen die Sache ein wenig entspannter als viele andere. Zumindest die beiden anderen Deutschen, welchen man uns bei der Tischwahl zugeordnet hatte, wirkten sehr nervös. Nach dem Abendessen bewaffnete ich mich mit Ohropax und ging zeitig zu Bett.
TAG 2
Als wir um 04:05 Uhr aufwachten, war das Lager bereits geleert =) Aber kein Sorge: als 2er-Seilschaft werden wir gut vorankommen. Das Frühstück schmeckte erstaunlich gut, doch der Zeitdruck beendete es all zu rasch. Also zurück in die Skistiefel und los gehts. Heute wird ein Traum wahr gemacht! Die GPS Aufzeichnung begann um 5:30 Uhr. Wir rechneten mit einer Aufstiegszeit von 5-7 Stunden. Am Anstrengendsten wird vermutlich erst die weite Rückreise. Aber auch die steht noch in weiter Ferne =)
Bei guter Sicht fuhren wir etwa 40 Höhenmeter runter bis zum Anfellplatz. Alles läuft.
Der untere Eisbruch kommt näher, das Tageslicht steigt langsam empor. Schön, hier zu sein.
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Die Natur belegt, weshalb dieser Brocken als "Gelbe Wand" bezeichnet wird. |
Bei perfekten Schneeverhältnissen und guter Spur kamen wir zügig voran. Lediglich die beeindruckende Gletscherwelt zwang uns zu vielen Foto-Pausen: Mit zwei Handys, einer Digitalkamera und einer Action-Cam machten wir unzählige Bilder =)
Beim Blick auf den zweiten Eisbruch und die rechts davon liegende Schneerus wurde klar, wie der Weiterweg verläuft. Die vorderste Seilschaft entschied, über den Eisbruch zu gehen und die lawinengefährdete Rinne zu meiden.
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Links der zweite Eisbruch. Rechts die Schneerus. |
Im zweiten Eisbruch kam es zum klassischen Stau an einer Schlüsselstelle. Beherzt nahm ein 100 Kilo-Mann kurzerhand den Pickel zur Hand und schlug eine Treppe ins Eis. Glücklicherweise kamen wir zügig durch und ließen die Brüche bald hinter uns. Nun folgte der weite Teil des Anstiegs, der uns auf dem Rüückweg eine herrliche Abfahrt bescheren wird.
Weiter oben legten wir eine Trinkpause ein und staunten nicht schlecht über 3 "Speed-Geher" die wohl aus dem Tal aufgestiegen sind und uns jetzt überholten =) Für die Motivation war das ein kleiner Dämpfer, doch ab hier war der restliche Aufstieg einsehbar.
Nach den etwa 5 letzten Kehren in der relativ steilen Wand, erreichten wir den Gipfelgrat, wo ein heftiger Sturm herrschte. Beinnahe "grenzwertig" wirkte die Stelle des Skidepots. Gut nachvollziehbar, dass bei diesen Bedingungen nicht alle bis ans Kreuz gingen.
Entsprechend kurz verlief auch der Aufenthalt auf dem Gipfel des
Tödi (3614m).
Trotz der Erwartungen war das Gipfelglück überschaubar. Der Ausblick war natürlich atemberaubend und eine tolle Belohnung für knapp 6 Stunden Aufstieg.
Konzentriert wurden die Felle verstaut und der Skimodus eingelegt. Der Wind im Gipfelhang erschwerte die Sicht auf den schönen Powder. Wir hatten auch hinsichtlich der Abfahrt einen super Tag erwischt. Was für Powder-Turns im Mai!
Zwischenzeitlich meldete sich mein Körper zu Wort und bescherte mir eine große Übelkeit. Vor uns lagen noch etwa 5 Stunden bis zum Auto...
Mit kurzem Gegenanstieg kamen wir zurück an die Hütte. Die Apfelschorle und das überbackende Käse-Ei-Brot schmeckten hervorragend und halfen mir zurück auf die Beine. Nach der ausgiebigen Pause fuhren wir weiter abwärts, soweit uns die Ski trugen. Dann mussten wir noch ein guten Stück abwärts gehen, da der Neuschnee zwischenzeitlich abgeschmolzen war.
Bei Hinter Sand war die Erleichterung riesig. Wir hatten den größten Teil des Traumes wahr gemacht. Glück auch, dass die Räder nicht entwendet wurden. Jetzt mussten wir nur noch bis ans Auto rollen.
Gegen 16.45 Uhr erreichten wir den Parkplatz bei den Stauseen im Linthal
GPS-Auswertung Tag 1: 11.2 km // 1381 hm // 5:38 h
GPS-Auswertung Tag 2 Aufstieg: 6.4 km // 1135 hm // 5:47 h
GPS-Auswertung Tag 2 Gesamt: 23.8 km // ⍐ 1681 hm // ⍗ 2969 // 11:15 h
Epilog: Spät erst gehe ich ins Bett. Müde vom Erlebten und Geschaffenen. Aufgeweckt von Hormonen im Blut und Bildern im Kopf. Welch Abenteuer zwei Tage bieten können. So fern dem Alltag, so nah dem Leben.
alpiniSim
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